Der Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst Kassel
Hinter einem fast unscheinbaren Eingang in der Heiligenröderstr. 84 in Kassel liegen die wunderschönen Räume des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes (AKHD) Kassel. Im Eingangsbereich, der ganz allein für die Erinnerungen an die verstorbenen Kinder vorgesehen ist, brennt eine Kerze. Hoch zum Deckenfenster „fliegen“ an die Wand geklebte Schmetterlinge – für jedes verstorbenes Kind einer. Im ersten Moment erscheint es so, wie es viele Außenstehende vielleicht erwarten: Das Abschiednehmen ist hier beim AKHD allgegenwärtig.
Im Leben, im Sterben und über den Tod hinaus
Dabei sieht die Wirklichkeit ganz anders aus, wie uns Monika-Elisabeth Klein, Koordinatorin des Ambulanten Kinderhospizdienstes, verrät. Im Fokus stehe nicht der Sterbeweg, sondern das Leben der Kinder und Familien ab der Diagnose einer lebensverkürzenden oder lebensbedrohenden Erkrankung. Oft ist es das erkrankte Kind, das begleitet wird, genauso oft aber sind es auch die Eltern oder Geschwister.
Die „Begleitung im Leben, im Sterben und über den Tod hinaus“, das ist es, was die Arbeit des Kinderhospizdienstes am besten beschreibt. An diesen drei Lebensabschnitten der Familien dürfen die Ehrenamtlichen des Kinderhospizvereins teilhaben. Der längste Abschnitt ist in den meisten Fällen das Leben, das von den kranken Kindern in vollen Zügen ausgekostet wird. Alle Kinder besuchen zum Beispiel auch zur Schule oder in den Kindergarten. Denn Kinder brauchen Kinder, egal ob sie gesund oder krank sind.
Plötzlich wird es still im Haus
Doch natürlich gibt es immer wieder die Situation, dass ein Kind verstirbt. Dann wird es im Hause der Familien plötzlich sehr still. Das Pflegepersonal, die Therapeuten und auch die fehlenden Geräte hinterlassen eine Leere, die für alle sehr ungewohnt, oft sogar unerträglich ist. Spätestens jetzt wird klar, wie wichtig die Arbeit des Kinderhospizdienstes ist. Denn die Ehrenamtlichen begleiten die Familien auch nach dem Tod und halten den Kontakt. Anders als viele Pfleger und Therapeuten, die es beruflich kaum einrichten können, auch noch bei den Familien verstorbener Kinder präsent zu bleiben. Genau dieses Wissen, dass die Familien auch nach ihrem eigenen Tod gut versorgt sind, ist für viele der kranken Kinder eine große Erleichterung. Denn der Gedanke, wer für die Familie nach ihrem Tod da sein wird, beschäftigt viele.
Gegen das Vergessen
Die größte Sorge der Familien dagegen ist es, dass die verstorbenen Kinder in Vergessenheit geraten können. Sie möchten über ihr Kind reden und dadurch die Erinnerungen wach halten. Um den Familien dies zu ermöglichen, gibt es immer wieder verschiedene Begegnungsmöglichkeiten , zu denen alle Familien eingeladen sind. Diese werden gern besucht und es findet ein reger Austausch zwischen den Familien untereinander und mit den Mitarbeitern des Kinderhospizdienstes statt. Außerdem gibt es das Erinnerungscafé, zu dem immer auch eine Trauerbegleiterin eingeladen wird. Und auch die Geschwister bekommen ihren eigenen Raum: So gibt es zum Beispiel ein Geschwistercafé für Kinder, deren Geschwister bereits verstorben oder schwer erkrankt sind. Ihnen ist es wichtig, auf Gleichgesinnte zu treffen, die sie verstehen und die ihnen dadurch Halt geben können.
Das Ehrenamt als tragendes Element
Der 2006 gegründete AKHD Kassel gehört zum Deutschen Kinderhospizverein e.V. (DKH e.V.) und ist einer der ca. 30 Standorte in Deutschland. Der DKHV e.V. wurde 1990 von betroffenen Familien gegründet. 65 Ehrenamtliche sowie 5 Hauptamtliche sind an den Standorten Fritzlar und Kassel für aktuell 35 Familien zuständig. Die ehrenamtliche Tätigkeit ist das Herzstück der Arbeit des AKHD Kassel, die vom Kinderhospizverein für ihre Arbeit in den Familien ausgebildet werden. Im ersten Kurs nach Gründung saßen 12 Frauen und kein einziger Mann. Heute dagegen engagieren sich immer mehr Männer, was eine sehr interessante Entwicklung der letzten Jahre ist.
Als 2006 Ehrenamtliche für den Aufbau des Vereins in Kassel gesucht wurden, wurde Monika-Elisabeth Klein auf eine Anzeige in der Zeitung aufmerksam. Doch für sie stand eigentlich fest, „Das geht gar nicht, diese Arbeit würde ich nicht verkraften!“. Gleichzeitig beschäftigt sie die Frage nach ihren eigenen Grenzen und wagt den Schritt, denn irgendwie kann ja jeder helfen. Zuerst half sie bei der Öffentlichkeitsarbeit, dann begleitete sie 2,5 Jahre ein erkranktes Kind. Und bereits 2008 wechselte sie ins Hauptamt und übernahm 2011 die Stelle als Koordinatorin, die sie noch heute mit Freude ausführt. Sie ist sehr froh, den Schritt trotz aller Bedenken gewagt zu haben.
Bild: Coraline (geb. 20.11.2012, gest. 11.12.2017) mit ihrer Mama Nathalie